Meine Tätigkeit in der Abteilung Aufklärung Teil I
Wie schon erwähnt, trat ich am 16.09.1981 meinen Dienst im Kommando der Volksmarine in der Abteilung Aufklärung an. Es lief gerade eine Stabsübung, die Offiziere waren angespannt und ich wusste nicht so recht, was ich mit mir in der neuen Dienststellung anfangen sollte. Dazu kam erst einmal ein bestimmtes Unwohlsein, da mit einer Ausnahme die Militärkollegen der Abteilung alle so etwa 12 – 15 Jahre älter waren als ich und schon seit „Urzeiten“ in diesem Metier. Das war etwas ganz anderes als in der
Flottille, wo man wusste, was wann wie zu tun war, wo man bekannt war, zu den Älteren und Erfahrenen gehörte. Plötzlich war man „Schütze A… im letzten Glied“ – und so fühlte ich mich auch eine ganze Weile.
Ich hatte das Glück, noch ein paar Wochen als Double meines Vorgängers in der Funktion „Oberoffizier für Seeaufklärung“ arbeiten und von ihm doch noch eine ganze Menge über das Arbeitsgebiet zu hören, vor allem konkreter zu erfahren, welches meine Aufgaben im Einzelnen wären, worauf ich achten müsse, was in der Gefechtsfunktion zu tun wäre usw. Ich lernte in dieser Zeit die Struktur der Abteilung kennen, begriff, dass die einen dafür Sorge zu tragen hatten, dass aus allen Bereichen der
VM qualifizierte Beobachtungen, Berichte und Informationen über die NATO –
SSK eingingen, die anderen diese auswerteten und daraus sowie aus Informationen anderer Bereiche Schlussfolgerungen und neue Erkenntnisse über den Zustand, technische Veränderungen, die Handlungen, neue Einsatzvarianten oder -prinzipien und Vorhaben der NATO -
SSK, insbesondere der Bundesmarine, ableiteten.
Sowohl während der täglichen morgendlichen Lageinformation an den STMCVM als natürlich besonders während höherer Stufen der Gefechtsbereitschaft meldete unsere Chef grundsätzlich als Erster. Zur Beurteilung der Lage und der Entschlussfassung des STMCVM beinhaltete die Meldung die aktuelle Stufe der Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte des NATO-Kommandos Ostseeausgänge, die Dislozierung seiner
SSK, ihren Zustand und zu erwartende Handlungen sowie wesentliche Veränderungen der Dislozierung der eigenen Aufklärungskräfte.
Das lernte und begriff ich sehr schnell: es gab nicht eine Situation, in der nicht als erstes der Chef Aufklärung zu diesen Themen zu berichten hatte, seine Meldung bildete stets die Grundlage für alles Weitere. Daraus leitete sich natürlich auch die Bedeutung aller seiner Aussagen über Angaben und Informationen ab, die unsere Abteilung organisierte und erarbeitete. Und daraus wiederum leiteten sich die Aufgaben ab, die sowohl für die strukturmäßigen Aufklärungskräfte der
VM als auch für die nichtstrukturmäßigen - der Verbände zu erarbeiten, zu organisieren und sicherzustellen waren.
Dazu gehörten die Erarbeitung der Ausbildungs- und Auskunftsdokumente und allseitige Sicherstellung der Einsätze der Vermessungs- (Aufklärungs-)schiffe der 4. VSA (Vermessungsschiffsabteilung) sowie die ausbildungsmäßige und materiell – technische Unterstützung der Aufklärungsoffiziere der Flottillen und Brigaden. Das bedeutete neben der Erhöhung der Qualität, Detailtreue und Aussagekraft der Aufklärungsberichte die materielle Planung und Beschaffung u. a. erforderlicher Foto- und Beobachtungstechnik und -materialien, die Organisation der Verteilung als auch die Beschaffung aussagekräftiger Berichte und Fotodokumente. Das war so mein Verantwortungsbereich, dafür war ich zukünftig zuständig.
Die allerwichtigste Aufgabe aber bestand kurz gesagt darin, dafür zu sorgen, dass unsere Aufklärungsschiffe (und ggf. auch andere, nichtstrukturmäßigen Aufklärungskräfte) jeweils vom ersten Tag an zur rechten Zeit am rechten Ort waren, um die Handlungen der
SSK des NATO –Kommandos Ostseeausgänge, insbesondere während gemeinsamer Übungen mit den Kräften anderer NATO – Bereiche so lange wie möglich zu beobachten, zu dokumentieren und dabei Angaben zu beschaffen, die zu Erkenntnissen über neue Waffensysteme, Einsatzvarianten und –parameter sowie evtl. neuer operativ-taktischer Verfahren des Einsatzes der Kräfte und Mittel führten.
Das Hauptziel der Tätigkeit unserer kleinen Abteilung war: gemeinsam mit den Aufklärungskräften der verbündeten Flotten und anderer Teilstreitkräfte der
NVA eine Überraschung durch die NATO-Streitkräfte in der Aufklärungs- und Verantwortungszone der
VM nicht zuzulassen. Dazu wurde der „Plan der Aufklärung der
VM während der ständigen Gefechtsbereitschaft“ erarbeitet, regelmäßig auf seine Wirksamkeit und Effizienz überprüft und bei Notwendigkeit präzisiert.